Gastartikel für #FORTSCHRITT - Liegt das Glück im Geldbeutel?

Verfasst für #FORTSCHRITT, veröffentlicht unter: http://www.fortschritt.co/index.php/blog-de/38-liegt-das-glueck-im-geldbeutel

 

Was ist Glück?

Zitate über Glück gibt es wie Sand am Meer. Wir können es zwar in hübsche Worte packen, aber sind schnell überfordert, den Begriff individuell für uns selbst zu definieren. Der Duden formuliert eine Erklärung wie folgt: „angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat; Zustand der inneren Befriedigung und Hochstimmung“ („Glück“, Duden online). Die Glücksforschung bezeichnet ihr Kernthema als „subjektives Wohlbefinden“, welches in zwei unterschiedlichen Ausprägungen auftritt; das emotionale Wohlbefinden und das kognitive Wohlbefinden. Ersteres betrachtet die Gefühlslage im Moment als Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt. Das kognitive Wohlbefinden dahingegen bewertet den „Grad der Zufriedenheit mit dem Leben“ (Ruckriegel, 2015).

Dieser wird laut der aktuellen Glücksforschung von sieben Faktoren maßgeblich bestimmt: familiäre Beziehungen, finanzielle Lage, befriedigende Arbeit, soziales Umfeld, Gesundheit, persönliche Freiheit und Lebensphilosophie/Religion (Ruckriegel, 2006). Einer dieser Faktoren wird nun im Folgenden näher betrachtet: das liebe Geld.


Geld und Glück

Wenige Themen spalten die Menschen mehr als das Geld. ABBA, die Beatles und Pink Floyd sind nur wenige der zahlreichen Künstler, die es besingen. Doch macht es uns wirklich glücklich? Denn egal, welche Zahl auf unserem Kontoauszug geschrieben steht, es ist immer weniger als genug.
Bereits in den 1970er Jahren ging man dieser gehaltvollen Frage systematisch nach; Richard Easterlin von der Universität in Pennsylvania wertete Daten aus 29 Ländern aus (Easterlin, 1974). Eines seiner zentralen Ergebnisse war ein positiver Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und Glück. Das bedeutet, die Wohlhabenden erklärten sich im Durchschnitt signifikant glücklicher als die restlichen Bürgerinnen und Bürger desselben Landes. Gleichzeitig wird jedoch, laut Easterlins Forschung, das Glücksempfinden der Nation mit einem Wirtschaftswachstum nicht unbedingt vergrößert. Dieser Widerspruch prägt als „Easterlin-Paradoxon“ bis heute die Glücksforschung und bedeutet, dass der soziale Vergleich beim Thema Geld und Glück eine bedeutende Rolle spielt und dass unser Einkommen nur positive Auswirkungen auf unser Wohlbefinden hat, wenn es relativ gesehen steigt.

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Dennoch trägt natürlich eine funktionierende Wirtschaft zu einer zufriedeneren Bevölkerung bei. So sind laut dem „World Happiness Report 2017“ nach Norwegen auch Dänemark, Island und die Schweiz die Länder mit den glücklichsten Einwohnern (Helliwell, Layard & Sachs, 2017). Das südasiatische Land Bhutan hat die Tragweite glücklicher Bewohner bereits 2012 erkannt und beschäftigt seitdem ein „Zentrum für Bruttonationalglück“ (Dohmen, 2017).

Betrachtet man nun das relative Einkommen des Einzelnen, unabhängig der Wirtschaft, liest sich in der Forschung vor allem eine Zahl immer wieder: 75 000 Dollar. Angus Deaton und Daniel Kahnemann, beide mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, sind die Urheber dieser Zahl. In ihrer Forschung an der Universität Princeton fanden sie heraus, dass bis zu einem Jahreseinkommen von 75 000 Dollar netto (umgerechnet etwa 60 000 Euro) das subjektive Wohlbefinden steigt; bei einer weiteren Gehaltserhöhung stagniert das empfundene Glück ab dieser Grenze. Sowohl bei Betrachtung von emotionalem sowie kognitivem Wohlbefinden berichten Menschen mit einem sinkenden Einkommen ab 75 000 Dollar pro Jahr von sinkendem Wohlbefinden und gleichzeitig steigendem Stress und Traurigkeit (Kahnemann& Deaton, 2010).

Anders gesagt haben schmerzhafte Einflüsse wie Krankheit, Einsamkeit oder Scheidung höhere negative Effekte auf arme als auf reiche Menschen. Ab der Schwelle von 60 000 Euro entkoppelt sich jedoch das Geld vom Glück. Einer der Hauptgründe dafür ist der Effekt der Gewöhnung sowie der des abnehmenden Grenznutzen. Letzterer kann gut mit einem Kaffeeklatsch veranschaulicht werden; das erste Stück Torte macht uns noch glücklich, das zweite vielleicht auch noch aber ab dem dritten Stück sinkt das Glücksgefühl mit jedem Bissen. Diesen Effekt kann man auf alle materiellen Güter übertragen, welche man sich mit steigendem Einkommen anschafft. Deshalb steht die große Frage im Raum, wie man denn sein „überschüssiges“ Geld ausgeben muss, um den größtmöglichen Nutzen in Bezug auf das subjektive Wohlbefinden zu erlangen. Unter dem Begriff „Happy Money“ wird diese Frage seit einigen Jahren in der Wissenschaft diskutiert. Die Konklusion: buy time, not things. Zeit ist Geld - oft halten die Opportunitätskosten einer Freizeitaktivität Menschen davon ab, dieser nachzugehen. Mit wachsendem Einkommen steigen Stress und Zeitmangel. Darum empfiehlt die Wissenschaft unter anderem, sich mit erwirtschaftetem Geld beispielsweise Haushaltshilfen oder Gärtner zu leisten. Menschen, die andere für ungeliebte Arbeit bezahlen, sind glücklicher als diejenigen, die alles selbst erledigen (Whillans et al., 2017). In einer Studie mit dem schönen Titel “If money doesn't make you happy, then you probably aren't spending it right” (Dunn, Gilbert & Wilson, 2011) werden die Ergebnisse der Forschung in folgenden Tipps zusammengefasst:

1. Kaufen Sie Erlebnisse statt materielle Güter
2. Benutzen Sie ihr Geld, um anderen eine Freude zu machen, statt es für sich selbst auszugeben
3. Kaufen Sie lieber viele kleine erfreuliche Dinge anstatt wenige große
4. Meiden Sie überteuerte Versicherungen und verlängerte Kredite
5. Konsum aufschieben (Vorfreude genießen)
6. Käufe von Statussymbolen vermeiden
7. Achtsam auf das Glück und Wohlbefinden anderer Menschen schauen

Glückstreffer Lottogewinn?

Eine Studie aus dem Jahre 1978, die auch heute noch oft in der Glücksforschung zitiert wird, untersuchte das subjektive Wohlbefinden von Lottogewinnern im Vergleich zu Nicht-Gewinnern. Das überraschende Ergebnis: keine signifikanten Unterschiede (Brickmann& Coates, 1978). Denn neben der Gewöhnung an den neuen Kontostand fangen Menschen nach einem Gewinn an, unsozial zu werden. Sie verlieren Freunde oder zerstreiten sich mit Familienmitgliedern - und werden dadurch oft nicht nur nicht glücklicher, sondern gar unglücklicher und einsamer als vor ihrem Gewinn (Norton, 2012).

Zusammengefasst macht Geld uns glücklich, solange alle lebensnotwendigen Grundbedürfnisse abgedeckt sind und ein gewisser Lebensstandard möglich ist, welcher das Leben erleichtert. Ab einer Grenze von etwa 60 000 Euro Jahreseinkommen führen weitere Gehaltserhöhungen nicht mehr zu steigendem Wohlbefinden. Allgemein lässt sich sicher sagen, dass Geld am glücklichsten macht, wenn man es für andere ausgibt und sich Zeit, bzw. Erlebnisse kauft anstatt Dinge.

Geld macht uns also glücklich – wenn wir es auf die richtige Art und Weise ausgeben.

 

Literaturangaben:

Brickmann, P. & Coates, D., 1978. Lottery Winners and accident victims - ist happiness relative?. Journal of Personality and Social Psychology, 36(8), pp. 917-927.

Dohmen, C. (2017). Dieser Mann verwaltet das Glück eines ganzen Landes. Hier online verfügbar, zuletzt überprüft 24. Februar 2018.

Dunn, E., Gilbert, T. & Wilson, T., 2011. If money doesn't make you happy, then you probably aren't spending it right. Consumer Psychology, 2(21), p. 115–125.

Helliwell, J., Layard, R., & Sachs, J. (2017). World Happiness Report 2017, New York: Sustainable Development Solutions Network.

Kahneman, D; Deaton, A, 2010. High income improves evaluation of life but not emotional well-being. National Academy of Sciences, 107 (38) 16489-16493.

Norton, M., 2012. How to buy happiness. s.l.: TEDx Cambridge.

Whillans, V. et al., 2017. Buying time promotes happiness. National Academy of Sciences, 32(114), pp. 8523-8527.

„Glück“ auf Duden online. Hier online verfügbar, zuletzt überprüft 24. Februar 2018.